Die Türe zu Anna Condas Wohnung öffnet sich. Ein halbfertig geschminktes Gesicht strahlt mir an diesem frühen Morgen entgegen. Nur eine Wig Cap befindet sich dort, wo später eine schwarze Mähne sein wird. „Das Gesicht muss ich noch reparieren!“, schreit eine Frau, kurz bevor sie hinter der Mauer hervor blickt. Anna Conda hat noch nicht so viel Ahnung von Make-up. Bisher hat sie Drag auch nicht wirklich ernsthaft betrieben. Hier und da ein Auftritt, wenn sie gebraucht wurde, oder wenn sie einfach Lust darauf hatte.
von Pia Alina Schulz
„Manchmal will Anna Conda einfach aus dem Schrank gelassen werden“, erklärt sie mir später auf dem Weg in die Innenstadt. Wie man in hohen Schuhen geht, muss sie noch üben. Ein geschultes Auge erkennt sofort, dass Anna Conda noch nicht lange Drag macht. Nur durch Zufall hat sie diese Leidenschaft entdeckt. Sie ist kurzfristig für jemanden bei der CSD Parade 2018 in Graz eingesprungen. Denn was ist eine Christopher Street Day Parade ohne Drag Queen?
Keine Kunstfigur
Um ihre Natürlichkeit zu unterstreichen ist es Anna Conda wichtig, keine verrückten und immer wechselnden Frisuren bei ihren Auftritten zu tragen. Ihre schwarze Haarpracht ist daher ihr Markenzeichen. „Seit ich Drag mache, habe ich ein ganz neues (Un-)Verständnis dafür, was Frauen sich teilweise tagtäglich antun“, sagt Anna Conda. Auch wenn ihr Make-up und ihre Haare eher schlicht sind, ihr Kleidungsstil ist das ganz bestimmt nicht.
„Muss das sein?“ – Auf jeden Fall!
„Schönes Kleid“, merkt ein kleiner Junge an, während sein Vater Karten für die Märchenbahn beim Schlossberg kauft. Nicht alle Begegnungen mit dem männlichen Geschlecht sind für Anna Conda so nett gewesen. Auch wenn sie noch nie richtig beschimpft wurde, muss sie Bemerkungen wie „Muss das sein?“ und schiefe Blicke öfter erdulden. Die bisher einprägsamste Situation hat Anna Conda beim Warten auf den Bus erlebt. Plump fragte sie ein Herr in schlechtem Deutsch: „Willst du Sex?“ Doch zu seiner Enttäuschung ist Anna Conda asexuell. Generell ist es ihr wichtig, ihr Privatleben und ihr Dasein als Drag Queen möglichst getrennt zu halten.
Anna Conda die Jeder*frau*
Anna Conda ist zwar noch eine sehr junge Drag Queen, sozusagen eine Baby Queen, aber sie weiß genau wofür sie steht. Ihr ist es wichtig, Schönheitsideale zu hinterfragen. Während sich die meisten Drag Queens aufwendig in Kunstfiguren verwandeln, ist es Anna Condas Ziel, so natürlich und echt Frau zu sein, wie nur möglich. Ihr Motto und wichtigster Rat: Sei glücklich damit, wie du bist. Keiner außer du hat das Recht darüber zu entscheiden, wer oder was du bist. Das dürfte auch einer der Gründe sein, warum sie nicht – wie bei Drag Shows üblich – Lip Sync macht, sondern live singt.
Wir freuen uns auf den spektakulären Auftritt von Anna Conda beim Tuntenball presented by T-Mobile. Und wer weiß, vielleicht wird die Drag Queen von nebenan die nächste Miss Tuntenball!